Punkt Sieben zum Thema „Menschenwürdige Arbeit weltweit“ am 10.01.2016

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Punkt Sieben zum Thema „Menschenwürdige Arbeit weltweit – Utopie oder erreichbares Ziel?“ mit Referent Stefan Rebmann:

Nicht für jedes Handy müssen Kinder schuften

Es waren erschütternde Bilder, die der Entwicklungspolitiker und Mannheimer Bundestagsabgeordnete Stefan Rebmann beim Diskussionsforum Punktsieben der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf zeigte: Verschüttete und verstümmelte Textilarbeiterinnen, Opfer des Einsturzes des Rana-Plaza-Komplexes am 24. April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen.
„Menschenwürdige Arbeit weltweit – Utopie oder erreichbares Ziel?“ lautete der Titel der Veranstaltung in Anlehnung an den Antrag, mit dem der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert hat, sich für die Verhinderung von Sklaverei und die Einhaltung von sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards weltweit einzusetzen. Das sei zugleich der richtige Weg, um Fluchtursachen zu bekämpfen, so Rebmann.
Er appellierte an die Verantwortung der westlichen Nationen und ihrer Unternehmen, denen andere Länder als „Werkbänke“ und „Plantagen“ dienen. Bei seinen Besuchen in den Schwellen- und Entwicklungsländern habe er unvorstellbares Elend gesehen. Allein 168 Millionen Kinderarbeiter gebe es, davon 85 Millionen in gefährlicher Arbeit. Den Blick des siebenjährigen Jungen, der mit dem Esel aus der Mine kommt, werde man nicht so leicht vergessen.
Nach dem Vortrag war es Sache der beiden „Konfrontatoren“ von Punktsieben, die Diskussion zu eröffnen. Christoph Dressler äußerte seine Vermutung, dass der Antrag niemanden interessiere, fragte nach der Möglichkeit einer politischen Umsetzung und danach, welche Druckmittel es gebe. Ralf Tolle kritisierte das Dickicht an Siegeln und forderte klare Standards für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken.
Rebmann betonte, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen so gesetzt werden sollten, dass Verbraucher sich nicht den Kopf über die Produktionsbedingungen zerbrechen müssten. Überhaupt sollten Siegel überflüssig werden.
Als Erfolge nannte er das von Entwicklungsminister Gerd Müller initiierte Textilbündnis und den „Vision Zero Fund“, mit dem G7-Staaten von Unternehmen und Organisationen Geld sammeln, um Unfall-Versicherungen aufzubauen oder Brandschutzinspektoren auszubilden. In einen Entschädigungsfonds für die Opfer des Fabrikeinsturzes in Bangladesch hätten schon viele Unternehmen, darunter auch ein Textil-Discounter eingezahlt, während sich andere weigerten.
Widerstand gegen das Textilbündnis komme von den Verbänden, die geltend machten, bei bis zu 150 Zulieferern könnten die Unternehmen nicht alle kontrollieren. Eingeknickt seien sie erst, als die mittelständischen Unternehmen aufgestanden seien und deutliche Standards verlangt hätten.
Die EU-Kommission habe den Antrag übernommen, da internationale Standards Druck aus der Diskussion um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA nehmen könnten. Als weiteren Erfolg nannte Rebmann eine Neuerung im Beschaffungsrecht, wonach Kommunen soziale und ökologische Aspekte aufnehmen können.
Wie man sich als Bürger konkret verhalten solle war eine der Fragen, die das Publikum beschäftigten. Direkte und zahlreiche Rückfragen nach dem Herkunftsort der Ware oder der Produktionsweise und der Produktionsbedingungen würden erfahrungsgemäß etwas bewirken, empfahl Rebmann.
Auch wies er auf die neue App „Siegelklarheit“ der Bundesregierung hin und gab an, selbst ein nachhaltig produziertes Smartphone und ein entsprechendes Tablet von einer hessischen Firma bestellt zu haben.
Positivbeispiele für verantwortungsvolle Unternehmen sollten mehr herausgestellt werden, war dann auch eine Anregung aus dem Publikum. Eine Teilnehmerin berichtete, dass beim Bau einer Berliner Shopping Mall die Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien ohne Lohn nach Hause geschickt worden seien.
Gefragt wurde auch nach der Möglichkeit, die Globalisierung einzudämmen und Textilproduktion nach Deutschland zurückzuholen. Was dann die Leute dort machen sollten, war die naheliegende Gegenfrage. Die Lösung läge eher darin, mit fairer Arbeit den Entwicklungsländern eine Perspektive zu bieten. Deshalb trete er auch für eine soziale Globalisierung ein.
Auf die Anmerkung einer Dame, es sei doch sinnvoll, dass die ungebildeten Leute in den Entwicklungs- und Schwellenländern die einfachen Arbeiten verrichteten, entgegnete Rebmann mit seiner Überzeugung, dass der Herrgott den Intellekt gleichmäßig über den Globus verteilt habe und es daher wichtig sei ,dass Kinder auch in Entwicklungsländern nicht in Minen oder auf Feldern schuften müssten, sondern die Chance auf Bildung hätten.
Mathias Pütz von Punktsieben dankte Rebmann augenzwinkernd, dass er zum Abschluss noch den lieben Gott ins Spiel gebracht habe und Jochen Koppert überreichte ihm Wein vom Walldorfer Bürgerwingert.

 

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