Erfahrungen weitertragen: eki-walldorf in Buchenwald

 

Gedenkstätte Buchenwald – zwei Worte. Das zweite ruft sicher sehr unterschiedliche Emotionen in jedem von uns wach. Unbehagen vielleicht. Im Hinterkopf die unsäglichen Verbrechen, die vor nun bald 80 Jahren während der NS-Zeit dort verübt wurden. Unbehagen begegnet man am besten durch Hinschauen. Genau das haben wir mit einer Gruppe meist junger Erwachsener aus der evangelischen Kirchengemeinde in Walldorf getan: Hinschauen. Und da ist interessant, was das erste der Wörter bezeichnet: Gedenkstätte. In Wikipedia finden wir darunter u.a. „diese Stätten sollen bewahrt und ‚zum Sprechen‘ gebracht werden.“

Genau das hat unsere Gruppe in wundervoller Weise vom Pädagogen Helmut Rook, unserem Begleiter vor Ort, mitnehmen dürfen, wie der Ort mit eher archäologisch anmutenden geringen Überresten an baulicher Substanz „zum Sprechen“ gebracht wird. Da bedarf es der Vermittlung von Hintergründen, von zeitlichen Entwicklungen, von Differenzierung der damals leidenden, inhaftierten Volksgruppen, den unterschiedlichen Intentionen der SS-Lageraufsicht gegenüber politischen Häftlingen, Homosexuellen, Juden, Sinti und Roma, später aber eben auch gegenüber deportierten Kriegsgefangenen aus der ganzen Welt.

In Buchenwald handelte es sich um ein Arbeitslager. Ankommende Gefangene wurden nach körperlicher Gesundheit beurteilt und bei verschiedenen Aufgaben in Steinbruch, Lager-, Straßen- und Schienenbau, später auch in der Rüstungsindustrie in Außenlagern, aber vor allem auch in Buchenwald selbst ab 1942 in den Gustloff-Rüstungswerken „verbraucht“. Dieser Gedanke ist so abstoßend, so erschreckend: Es gab kaum Hilfsmittel. Wer der Belastung nicht standhielt, wurde erneut beurteilt, gegebenenfalls im Krankenbereich kuriert, ansonsten deportiert, auch nach Auschwitz. Luftbilder waren unsere Begleiter auf Erkundungsgängen. Eines zeigt die zerstörten Rüstungsbetriebe neben dem Lager, die von Alliierten vor Kriegsende durch Luftangriffe zerstört wurden. Die Genauigkeit der Treffer verdeutlicht, dass auch der fremden Aufklärung die genaue Bedeutung des Ortes bekannt war, das angrenzende Lager selbst wurde vollständig verschont.

Der Weg der Ankommenden führte über den „Karachoweg“ durch eine Meute von SS-Rekruten des Ausbildungslagers hin zum Tor mit der Aufschrift „Jedem das Seine“. Worte verändern sich, wenn man sie in dieser Weise wahrnimmt. Heute ist es ein schöner Blick in die Weite des Landes. Der Stumpf einer Eiche verrät, dass einst Goethe dort im Wald auf dem Ettersberg verweilte. Es sind die krassen Widersprüche des Ortes, die uns immer wieder schaudern aber auch lachen – ja, lachen – ließen. Neben den Lagerbaracken gab es den Krankenflügel, ein Kino, selbst ein Bordell. Natürlich hatte die SS im Sinn, die Arbeitskraft der Gefangenen so lange wie möglich zu fördern. Aber dennoch gab es selbst im Lager Hoffnung, Menschlichkeit, Kinder wurden versteckt, geschützt. Mutige Menschen förderten Widerstand und Sabotage. Pfarrer Schneider rief den Gefangenen auf dem Appellplatz als bekennender Christ selbst aus seiner Todeszelle noch Mut zu.

Diese kurze Beschreibung kann der Vielfalt des Erlebten nicht gerecht werden; beeindruckend lebendig immer wieder authentische Erzählungen von Zeitzeugen, denen Herr Rook selbst noch begegnen durfte, um ihre Erinnerungen anderen weiterzugeben. Seine Treffen mit Überlebenden und Hinterbliebenen an Gedenktagen ermöglichen das „Sprechen“ der Gedenkstätte. Die Geschichte in viel größerer Breite wahrzunehmen – auch vor Ort in Buchenwald – ist jedem anzuempfehlen. In ihrer rationalen Betrachtung wird überdeutlich, dass das Erinnern kein Ende haben darf, um gerade heute ähnliche Tendenzen zu erkennen und ihnen mit Menschlichkeit entgegenzutreten. Unsere Kirchengemeinde in Walldorf ist dabei.

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