Die Evangelische Kirchengemeinde, zusammen mit dem Heimatverein und der Stadt Walldorf, hatten eingeladen: Pünktlich um 18.30 Uhr fing es an zu schütten. Der Himmel öffnete die Schleusen, als wir uns in einer großen Gruppe an der Stadtkirche auf den Weg machten: Ziel waren die 20 Stolpersteine in Walldorf. Sie gehören zum Stadtbild dazu und fallen dennoch oft nicht auf. Aber am 9. und 10. November müssen sie im Mittelpunkt stehen. 1938 wurden an diesen Tagen die Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in ganz Deutschland überfallen, geplündert, zerstört und zum großen Teil auch verbrannt. Dies war der Beginn der offenen Gewalttaten gegen Juden, die schließlich hier in Walldorf in die Deportation im Oktober 1940 mündeten. Und den grausamen Höhepunkt im Massenmord in Lagern wie Auschwitz fand.
Und es waren nicht einfach „die Nazis“. Sondern hier vor Ort waren es Menschen, die mit ihren jüdischen Opfern wenige Jahre zuvor noch den Lebensalltag geteilt hatten. Die Walldorfer Synagoge wurde zwar nicht verbrannt – dafür hatten örtliche Nazigrößen zu viel Angst um ihre eigenen Häuser – aber sie wurde teilweise zerstört und das Mobiliar zertrümmert.
Es war eine buntgemischte Gruppe, die nach dem Ablegen von Rosen an den Stolpersteinen in Sand-, Haupt- und Apothekenstraße tropfnass vom Platzregen in der ehemaligen Synagoge stand. Andy Hermann erzählte in bedrückenden Worten von den Ereignissen, die vor 84 Jahren am 10. November an genau diesem Ort stattgefunden haben. Und Mitglieder der Stadtverwaltung, Jugendliche aus dem Konfirmandenkurs und der Geschichts-AG der Realschule sowie Menschen aus der Kirchengemeinde und Stadtgemeinde zogen ebenso nass hinüber in die Evangelische Kirche. Dort brannten danach Kerzen zum Gedenken, aber vor allem zur Erinnerung: Sie muss wach gehalten werden, damit solche Greueltaten in unserer Gesellschaft nie wieder einen Platz haben, sagte Pfarrer Uwe Boch.
Foto: Boch